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Die perfekte Geburt. Gibt es diese?

Veröffentlicht am 01.02.2023
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Lesezeit: ca. 7 Minuten
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Doulas: Eine Brücke zwischen Medizinischem System und Eltern

Was ist die perfekte Geburt?

Wie blickt unsere Gesellschaft auf das Thema Geburt?

Was ist eine Doula?

Ist eine Doula nicht viel zu teuer?

Wie kann ich Doula werden?

Ich bin Nina, Dreifach-Löwen-Mama, ursprünglich Juristin und nun seit mehr als fünf Jahren Doula. Mit meinem Mann, meinen drei Kindern, unseren Katzen und Hühnern lebe ich in Österreich am idyllischen Attersee. In meinem Werkzeugköfferchen befinden sich Yoga, Cranio Sacrale Anwendungen, Mentalcoaching, Ätherische Öle und Vieles mehr.

Als Doula stehe ich Frauen und deren PartnerInnen vom Kinderwunsch über Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett- und Stillzeit bis hin zum Kleinkindalter als mentale Stütze zur Seite.

Ich bin als Doula keineswegs ANSTATT Hebammen oder Ärzten für die Familien da. Vielmehr fülle ich jene Lücke, die Hebammen und Ärzte aus zeitlichen Gründen unmöglich schließen können.

Ich arbeite über Monate hinweg regelmäßig mit den Frauen/Familien zusammen und weiß daher, wo diverse Ängste und Sorgen meiner Klientinnen ihren Ursprung haben. Dies ermöglicht es mir, einzugreifen und zu unterstützen, wenn ebendiese Ängste und Sorgen meine Klientinnen im Geburtsprozess blockieren. So gibt es beispielsweise Momente während der Geburt, in denen die werdende Mutter „negativ“ an eine vorangegangene Geburt oder Situation erinnert wird. Genau in diesen Momenten kann ich unterstützen, um den positiven Geburtsflow wieder herzustellen. Dies ist mir möglich, weil ich die Vorgeschichte der werdenden Mutter aus unseren Sitzungen, Gesprächen, gemeinsamen Übungen und Erfahrungaustauschen kenne. Die diensthabende Hebamme hat eine andere, medizinische Aufgabe und kann alleine schon aus zeitlichen Gründen, diese Aufgabe im Regelfall nicht erfüllen. Wir reden hier derzeit von bis zu fünf Geburten, die eine Hebamme gleichzeitig betreuen muss (Also ein 1:5 Schlüssel). Es liegt also in der Natur der Dinge, dass sich Hebamme und Doula perfekt ergänzen, weil eben keine der beiden zeitlich beides kann. 

Ich hatte bei meiner ersten Geburt, die leider noch ohne Doula war, genauso wie bei meinen Fehlgeburten ein wunderbares Hebammen- und Ärzteteam zur Seite. Meine emotionalen Themen jedoch kamen viel zu kurz, blockierten mich und den Geburtsflow, sodass es für mich und meinen gesunden Sohn zu kritischen Momenten während der Geburt kam. 

Der durchaus schwelende Konflikt zwischen Hebammen/Ärzten und Doulas ist daher genauso unnötig wie unbegründet. 

Es gibt unzählige positive Erfahrungsberichte von Ärzten, Hebammen und Doulas, die das positive Zusammenwirken und die gegenseitigen Stärken dokumentieren.

Funktionieren kann dieses Zusammenspiel basierend auf dem gegenseitigen Respekt vor einander und vor der Aufgabe des jeweils anderen. 

Natürlich muss ich als Doula meine Grenzen (DOs & DON´Ts) kennen, sie einhalten und darf dem medizinischen Personal nicht im Weg sein. 

Doulabegleitung heißt für mich allerdings gar nicht zwingend, dass ich tatsächlich bei der Geburt dabei bin. Das schönste Kompliment für mich ist es, wenn die Frauen/Paare so gut vorbereitet sind, dass ich gar nicht mehr „gebraucht“ werde. Man glaubt gar nicht, wie viele Themen in so einer Schwangerschaft aufploppen können, die vermeintlich gar nichts mit der Schwangerschaft zu tun haben und trotzdem unglaublichen Einfluss auf Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett haben können. Zum Beispiel erlebe ich immer wieder Babys in ungünstiger Geburtsposition (Steiß- oder Querlage), die sich wie von Zauberhand drehen, wenn die werdende Mama den mentalen Knoten gelöst hat.

In den letzten drei Jahren während Corona waren Doulas pandemiebedingt aus dem Kreissaal verbannt. Dies gab aber auch Gelegenheit, zu beweisen, dass die Doula nicht dabei sein muss, sondern Pattsituationen durch vorab mit der Doula erarbeiteten Werkzeugen auch von den Frauen alleine gelöst werden können. Nicht selten sogar ohne jegliche Begleitperson – weil teilweise nicht einmal PartnerInnen erlaubt waren zu diesem Zeitpunkt. Ein großer Teil unserer Zusammenarbeit besteht auch in der Vorbereitung auf die ersten Minuten, Stunden und Tage nach der Geburt. Wenn man sich einen Hundewelpen anschaffen möchte, muss man eine Art Hunde-Führerschein machen, wenn man ein Baby bekommt, wird man offiziell nicht großartig vorbereitet. Viele Vorbereitungskurse etc enden auch beim Thema Geburt und das Abnabeln etc wird meist schon nicht mehr aufgeführt. Meiner Meinung nach könnte man mindestens die Hälfte der Still-Probleme und Postpartalen Depressionen durch Prävention abfangen.

Ich erhalte zahlreiche, emotionale Nachrichten von Frauen, die ihre selbstbestimmte und positiv empfundene Geburt und die Zeit im Wochenbett auf die Arbeit mit mir als ihre Doula zurückführen und mir für diese gemeinsame Zeit danken. Ich bin diesen Frauen nicht weniger dankbar, als sie mir. 

Unser Gesundheitssystem ist angespannt, das medizinische Personal gerade in den letzten drei Jahren extrem stark gefordert. Die Fülle an PatientInnen, die Masse an Patientenaufkommen verunmöglichen es dem medizinischen Personal auch wenn sie häufig an ihre Grenzen und darüber hinausgehen müssen, um den Gesundheitsbetrieb aufrecht zu halten, sich auf Patienten wirklich einzulassen.  

So war ich am Anfang bei meiner Tätigkeit als Doula noch der Meinung, dass ein „bisschen Hilfe“ auch schon gut ist. Ein paar Jahre später und viele, viele Begleitungen erfahrener, bin ich der Meinung, dass viele Frauen im System untergehen und dem medizinischen System zum Opfer fallen.
Ich frage mich immer und immer wieder: warum ist das so?
Ich sehe die Ursache dieser Situation in der Art und Weise, wie unsere Gesellschaft die Geburt per se sieht: als eine Art medizinischen Notfall. Genauso gut könnte unsere Gesellschaft jedoch auf den natürlichen Prozess der Geburt vertrauen und eben erst im Notfall einschreiten. Warum sonst wäre es in unserer Gesellschaft Usus, im Krankenhaus zu gebären? „Hausgeburt?? Oh Gott, was für Hippies!!!“
Aber genau hier beißt sich doch die Katze in den Schwanz. Rund 98% der Babys kommen in einem Krankenhaus zur Welt, 0,5% in einem Geburtshaus und knapp 1,5 % der Geburten sind Hausgeburten. Mehr als jedes 3. Baby in Österreich kommt per Kaiserschnitt zur Welt. (Daten: Statistik Austria 2022)

Wenn man jetzt mal allein die Wortwahl betrachtet: KRANKEN-Haus und GEBURTS-Haus, kommt die Frage auf, warum 98% im KRANKEN-Haus zur Welt kommen, wenn die meisten davon eigentlich GESUND sind. Wenn mindestens jede dritte Geburt einen Kaiserschnitt benötigt, würde das bedeuten, dass jede dritte Geburt in Regionen und Kulturen mit weniger medizinischer Versorgung als sie in der westlichen Welt gegeben ist, die Betroffenen vor ein gravierendes Problem stellen würde. Dem ist jedoch nicht so. 


In der westlichen Welt beginnt der Eingriff in das zutiefst natürliche System der Geburt bereits beim „Einchecken“ in das Krankenhaus. Viele Frauen erzählen mir in der Praxis, dass sie bereits am Parkplatz des Spitals ein mulmiges Gefühl bekommen oder sie sich vor dem (meist noch immer) obligatorischen Venenzugang fürchten. Andere Frauen erinnern sich an den Besuch von kranken oder gar sterbenden Angehörigen in genau diesen Krankenhäusern, die sie nun aufsuchen. Es ist nachvollziehbar, dass dadurch negative Gefühle getriggert werden können. Dazu kommen die in Krankenhäusern üblichen Lärmkulissen, Gerüche, Outfits, die Beleuchtung, das anonyme Umfeld. 

Von Kindern kennt man Sätze wie „da riecht es nach Spritze“ oder „der sieht aus, wie ein Arzt“ und unterbewusst ist das Ganze oft mit Schmerzen, Angst, Unwohlsein und eben Krankheit gekoppelt. 

Es liegt also nahe, dass sich diese Einflüsse – bewusst und unbewusst – auf unseren Neokortex (Gehirnareal) und die für die Geburt so einflussreiche Hormonausschüttung, bemerkbar machen. 

An dieser Stelle sei mir ein kleiner Exkurs zum Venenzugang gestatten: Jede unserer täglichen Autofahrten ist statistisch betrachtet gefährlicher als eine Geburt. Legen wir unserer gesamten Familie daher täglich einen Venenzugang bevor wir zur Arbeit fahren, damit das medizinische Personal dann im Fall der Fälle schneller und leichter einen Zugang hat? Und würden unsere Kinder vielleicht daher täglich weinen, bevor sie ins Auto steigen und wir als Gesellschaft würden aber nur glauben, dass das Kind immer weint, wenn wir mit dem Auto zum Kindergarten fahren – ohne zu erwähnen, WARUM es tatsächlich Angst hat.

Sicher erkennt ihr den Zusammenhang, den ich hier herstellen möchte. 

Sicher erkennt ihr auch, dass ich weder Hebammen noch Ärzte als „das Problem“ sehe. Das Problem ist das System. Auch das medizinische Personal ist nur menschlich, leistet aber oft Übermenschliches. Gerade dieses dem Personal oft abverlangte Übermenschliche kann den Geburtsflow, der ja prinzipiell zutiefst natürlich ist, stören. Bei aller Professionalität des medizinischen Personals in unseren Krankenhäusern wäre es vermessen, zu glauben, dass ein gerade erlebter medizinischer Zwischenfall (vielleicht die schwere Krebserkrankung im Nebenzimmer, der Todesfall, die trauernde Familie am Gang) gedanklich komplett abgelegt werden kann, bevor man weiter muss, um eine Gebärende zu betreuen. 

Ich will nicht falsch verstanden werden: ich denke nicht, dass jede Frau eine Hausgeburt haben muss. Meine Vision einer für Mütter und deren Kindern besseren Zukunft wäre ein großes Netzwerk an Geburtshäusern, die in Kooperation mit Kliniken fungieren. Der Fokus läge dann am natürlichen Prozess der Geburt. Bei Problemen, die natürlich trotzdem auftreten können (und für die wir sehr dankbar über die moderne Medizin sind), wird medizinisches Personal hinzugerufen. 

Davon sind wir nun weit entfernt. Was machen nun all die Frauen bis dahin? Und wie kann ich ihnen helfen? Ich kann aufklären. Ich bin der festen Überzeugung, dass mit guter Aufklärung, jede Frau an jedem Ort eine wundervolle Geburt erleben kann. Ich höre immer noch viel zu oft Sätze wie: „Ich lese lieber nichts über Geburten, mache keine Vorbereitungsworkshops und möchte mich auch nicht mit anderen Frauen austauschen, da es sich um die natürlichste Sache der Welt handelt und ich dies nicht negativ beeinflussen möchte.“ Da kommt von mir immer ein: „JEIN“. Einerseits stimmt das natürlich. Andererseits trifft es nicht unbedingt auf unser Leben zu. Wie natürlich leben wir denn heutzutage bzw. wie viel Natürlichkeit gestehen wir unserem Körper und Geist zu? Stehen wir dann auf, wenn wir absolut gut ausgeschlafen sind und wir gerade die perfekte Schlafphase zum Aufwachen haben, oder doch einfach dann, wenn der Wecker klingelt und wir einem Zeitplan folgen müssen, auch wenn dieser nur in den seltensten Fällen unserer biologischen Uhr entspricht? Das Gleiche gilt beispielsweise auch für die Ernährung. Essen wir immer nur dann, wenn wir wirklich hungrig sind, oder vielleicht weil wir nur eine gewisse Mittagspause zur Verfügung haben? Gehen wir immer dann schlafen, wenn wir müde sind oder wären wir vielleicht eine kreative Nachteule die bis 3:00 Uhr morgens deutlich leichter arbeiten könnte als vormittags, zwingen uns aber trotzdem ins Bett, weil wir eben wissen, dass um 6:00 Uhr wieder der Wecker klingelt? Bleiben wir mit gutem Gewissen und Einverständnis unseres Chefs an manchen Tagen unseres Zykluses zuhause oder versuchen wir täglich die gleiche Leistung zu liefern – obwohl wir in Summe deutlich mehr leisten könnten, wenn wir es unserem Zyklus anpassen würden. (Zu meiner Freude gibt es bereits ein paar Firmen, die diesen Versuch starten und ich freu mich auf die Ergebnisse!)
Bewegen wir uns so viel, wie es unserer natürlichen Konstitution entsprechen würde?
Diese Beispiele (und die Liste wäre endlos) sollen jedenfalls aufzeigen, dass wir uns über Generationen die Natürlichkeit in sehr vielen Bereichen abgewöhnt haben und es demnach vermutlich nicht funktionieren wird, diese Natürlichkeit nach beispielweise 30 Jahren (durchschnittliches Alter von erstgebärenden Frauen) auf Knopfdruck auszulösen. 

Das „Ja“ aus dem „JEIN“ stammt daher, dass es sehr wohl Frauen in anderen Kulturen gibt, die Natürlichkeit leben, die mit zyklischen Ritualen aufwachsen. Rituale, die Frauen andere Frauen unterstützen lassen. Kulturen, in denen die Erstgebärende vermutlich bereits mehrere Geburten miterlebt hat, bevor sie nun selbst Mutter wird. In einer Gesellschaft, in der es „das Dorf, das es zum Kinderbekommen benötigt“ noch gibt.

Hier ergibt sich die nächste Frage: was ist eine „erstrebenswerte, was ist eine gute Geburt? Es ist leider eine Tatsache, dass wir in unserer Kultur viel Neid erleben, anstatt wohlwollender Unterstützung. Anstatt Frauen Angst zu machen, dass die Geburt schmerzhaft sein wird, könnte man sie auch von klein auf darin bestärken, dass wir Frauen diese Power von Natur aus in uns tragen. Aus der Angst heraus, dass die Geburt wild, schmerzhaft und unberechenbar sein kann, wünschen wir uns nämlich eine sanfte, ruhige, romantische und schmerzfreie Geburt. Wenn diese dann nicht eintritt, fühlen wir uns als Versagerin. Ist das nicht auch eine Folge des Frauenbildes unserer Gesellschaft? Wie will man uns Frauen seit Generationen haben? Man möchte uns feminin, sanft, klein, schwach … sehen. Diesem Bild wollen wir allzu oft entsprechen.
Wenn wir aber von klein auf davon ausgehen, dass wir Frauen von Natur aus stark, archaisch und vollkommen kraftvoll sind, brauchen wir uns nicht davor fürchten, dass unsere Geburt eventuell nicht feminin, frei und kraftvoll sein wird.
Da kommt mir Astrid Lindgren in den Sinn: „Sei frei und wild und wunderbar!“
Dieser Satz bringt zum Ausdruck, wonach sich viele Frauen tief in ihrem Herzen sehnen: einem erfüllten, eigenständigen Leben, das wir beherzt und gleichzeitig spielerisch anpacken.

Ich bin jedenfalls aus tiefstem Herzen davon überzeugt, dass uns Astrid Lindgrens Herangehensweise für unser gesamtes Leben stärkt. Egal welche Herausforderung auch kommen mag, wir müssen uns nicht davor fürchten, sondern wissen, dass wir genug Power und Instinkt haben, um jede Hürde zu meistern. Und wer bereits Kinder hat, der weiß, dass die Geburt erst der Anfang ist. 

Die Frage, ob eine Doulabegleitung nicht zu teuer ist, ist die Frage der Priorität. Es ist üblich, dass ein Brautkleid bis zu mehrere Tausend Euro kostet und auch ansonsten wird gerade bei Hochzeiten an nichts gespart. Die Frage stellt sich, ob dieser Tag tatsächlich so viel Einfluss auf mein späteres Leben haben wird, wie das Geburtserlebnis meiner Kinder – oder eben das daraus resultierende Trauma. Ob es auch so viel nachhaltige Bindungs- oder Konfliktpotenzial zu Menschen hat, wie die Geburt. Unsere Welt, sieht emotionale Gesundheit leider immer noch nicht gleichwertig zur physischen. Wie schön wäre es, würde sich das ändern! Wie schöne ist es, dass ich zu dieser Änderung einen kleinen Beitrag leisten kann: ich biete ab Mitte April meine Doula-Ausbildung an. (Zwei Reserveplätze gibt es noch für Kurzentschlossene)

Wieso sollte es hier ein Konkurrenzdenken oder Konfliktpotential mit medizinischem Personal geben? 

Doulas sind Frauen, die mit fundiertem Wissen andere Frauen mental aufbauen und in ihre Kraft bringen. Wie könnte es davon jemals genug geben?

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